Sport - 24.07.22

The Rift - 206 km Gravel auf Island

Im Frühjahr 2021 entdeckte ich das Gravel-Rennen The Rift auf Island. Die Bilder vom "Battlefield" führten schnell zum Entschluss, dass ich an dem Rennen auch teilnehmen wollte. Dunkle Lavafelder im Hochland von Island mit mehreren Flussdurchquerungen. Ein 200 km langer Rundkurs um den Vulkan Hekla. Der Geowissenschaftler in mir war begeistert. Problematisch war nur, dass das Rennen bereits wenige Stunden nach Freischaltung der Anmeldung ausgebucht war, also seit September 2020. Ich setzte mich auf die Warteliste, bekam aber keinen Platz. Nun war die Teilnahme 2022 das Ziel. Die Anmeldung sollte wieder im September freigeschaltet werden, aber durch einen Zufall war sie an meinem Geburtstag für einen kurzen Moment offen, den ich nutzte. Ein tolles Geburtstagsgeschenk, für das ich 250 $ zahlte.

Vorbereitung für The Rift

Ich hatte also knapp ein Jahr Zeit für die Vorbereitung. Erste Baustelle: das Fahrrad. Für Gravel war keins im Fuhrpark vorhanden. Eine Neuanschaffung war nicht geplant, war doch ein Crossbike vorhanden, sogar mit XT-Schaltung, das allerdings normale Mäntel verpasst bekommen hatte, Schutzbleche und Gepäckträger. Es war eher in der Stadt als im Gelände im Einsatz. Für das Terrain auf Island in dem Zustand also nicht geeignet. Damit ging ich zum Fahrradstudio meines Vertrauens zur Wartung und zum Umbau.

Die Mäntel wurden mit 45mm Schwalbe G-One Ultrabite ersetzt. Die Breite wurde von den Veranstaltern empfohlen. Eine Felge hatte mehrere Risse an den Speichenlöchern und musste ersetzt werden. Der Antrieb wurde nach 5.000 km Laufleistung erneuert. Die abgenutzten Griffe wurden ausgetauscht.

Für das Garmin Edge 820 brauchte ich bei der Länge von 200 km eine Powerbank, da der Akku bei Routenführung (war vorgeschrieben!) nur vier Stunden aushält, was ziemlich schwach ist und ich habe schon alle Einstellungen zum Energiesparen vorgenommen. Dafür brauchte ich dann wieder eine Oberrohrtasche. Diese wählte ich so aus, dass dort auch das Handy rein passte, zusammen mit ein paar Energieriegeln. Für die Verstauung der weiteren Verpflegung nahm ich den Trinkrucksack CamelBak M.U.L.E., da ich an dem Rad nur einen Flaschenhalter habe.

Zum Training auf Schotter fuhr ich durch den heimischen Wald, allerdings keine längeren Strecken. Ausdauer für die Distanz trainierte ich mit dem Rennrad, da ich mich ja auch für die Vätternrundan angemeldet hatte. Um die 315 km in Schweden zu schaffen, wurde empfohlen, mehrfach weiter als 100 km zu fahren und insgesamt über 1.000 km bis zum Rennen zu fahren. Der Gedanke: wenn ich 315 km auf Asphalt mit 1.900 Höhenmetern schaffe, schaffe ich auch 200 km auf Schotter mit 1.900 Höhenmetern.

Für den Transport lieh ich mir einen Travelbag von Evoc, den ich bei Ebay Kleinanzeigen in Darmstadt fand und den ich auch schon einen Monat zuvor für die Vätternrundan geliehen hatte.

Anreise und Pre-Race

Mitte Juli ging es los! Sperrgepäck war bei Lufthansa und SAS angemeldet, ein Campervan gebucht. Ich war unsicher, ob die Tasche quer oder nur längs in den VW passen würde und stellte mich schon darauf ein, das Bike ausgepackt und ohne Räder in einer Velo Sock nachts auf die Vordersitze zu packen und die Tasche flach unter dem Bett zu verstauen, aber zum Glück war das nicht nötig, da das Auto breit genug war. 

Der Campingplatz in Hvolsvöllur war für die Teilnehmer reserviert, die bei der Anmeldung angegeben hatten, im Camper oder Zelt zu übernachten. Bezahlbare Unterkünfte in der Umgebung waren bei 1.000 gemeldeten Teilnehmern schnell ausgebucht. In der Facebookgruppe schrieben manche, dass sie in Selfoss etwas bekommen hätten. Der Ort ist 50 km entfernt! Auf dem Campingplatz war allerdings noch Platz. Einige waren mit dem Rad vom Flughafen aus angereist und hatten ihre gesamte Ausrüstung dabei. Da es vor dem Rennen regnete, war ich echt froh, im Camper zu schlafen.

Am Donnerstagabend war das traditionelle Saga-Dinner mit Wikingergeschichten, das wir aber nicht besuchten, da alle 80 Teilnehmer auf engem Raum im Valhalla-Restaurant saßen und wir jetzt echt kein Risiko in Bezug auf Covid eingehen wollten. Freitag war ein Social Group Ride, den ich aber auch ausfallen lies, da es morgens regnete. Mein Rad hatte ich auch noch nicht aufgebaut.

 

Beim Aufbau des Rads, später am Freitag, und der ersten Testfahrt stellte ich fest, dass ich nicht richtig schalten konnte. Der erste Gang war nicht erreichbar. Zum Glück hatte ein Nachbar sehr viel Werkzeug dabei und wusste, was zu tun war. Er richtete die Schaltung neu aus und ich war startbereit. Auf ging es zum Valhalla-Restaurant, wo man seine Tasche mit Startnummer, Socken, T-Shirt, Trinkflasche und anderen Goodies bekam.

In den Rucksack packte ich mehrere PowerBar Gels und Clif Bars, füllte die Wasserflasche und die Trinkblase auf und ging früh ins Bett. Im Gegensatz zur Nacht vor der Vätternrundan schlief ich mehr als vier Stunden. Der Wecker klingelte um 6:20 Uhr, Startschuss war um 07:00 Uhr. Zum Glück hatte ich nur wenige Minuten Anfahrt vom Campingplatz aus.

Mit meinem Rad war ich ein Exot. Ich kann an einer Hand abzählen, wie viele Starter ich sah, die kein Gravelbike hatten.

Die Strecke von The Rift - 206 km um den Vulkan Hekla mit 1860 Höhenmetern

Das Höhenprofil

In der Woche vor dem Rennen wurde die Strecke nochmal abgefahren und geringfügig verändert, so dass es 206 km waren. Unterwegs gab es vier Checkpoints mit Zeitlimit und fünf Verpflegungsstationen.

Man musste also 14,7 km/h im Schnitt fahren und oben drauf die Pausen rechnen.

Die Strecke war in verschiedene Abschnitte aufgeteilt mit Beschreibungen. Hier ein paar Auszüge:

"Serpent of Midgard - 25 K Climb up rough gravel to the river crossing. There are 2 gates. They will be open on the start but closed on the return. There is a check point at 19K, then you will proceed to aid 1."

"Gate to Vahalla - This is the toughest segment on the Course. You will have many big climbs and small river crossings. Take the crown by climbing Mjolnir Hill the fastest"

"Landmannahellir - There are 3 river crossings in this short 14 K segement. It looks like the set of game of thones. only its real life."

Auch mussten mehrere Flüsse durchquert werden. Ob auf dem Rad oder zu Fuß, das war einem selbst überlassen. Die ersten 70 km ging es hauptsächlich bergauf, dann folgten eine Abfahrt und mehrere flache Abschnitte. Zwischendurch gab es immer mal wieder kleine Steigungen, aber nicht so steil wie am Anfang. An zwei Stellen musste man Schneefelder überqueren.

Das Rennen: The Rift 2022

Am Start- und Zielbereich war Partystimmung. Es waren wohl um die 800 von 1000 gemeldeten Teilnehmern vor Ort. Direkt nach dem Start zogen die meisten Fahrer fort. In Anbetracht der Strecke, die vor mir lag, fuhr ich mein Tempo und orientierte mich nicht an den anderen Fahrern. Die ersten neun Kilometer waren normale Straße, ehe es auf einen Schotterweg ging und man durch den ersten Fluss musste.  Nachdem ich eine Person ins Wasser stürzen sah, schob ich. Das kalte Wasser war überraschenderweise gar nicht schlimm, sondern erfrischend. Auf dem Asphalt schaffte ich es, über 20 km/h zu halten. Auf dem Schotter und bergauf waren es dann zwischen 8 und 15 km/h. Bei der ersten Verpflegungsstation nahm ich das erste Gel und frühstückte eine Banane.

Weiter ging es über Schotter und Lava, immer bergauf. Ständig musste man größeren Steinen auf dem Weg ausweichen. Richtig schnell konnte ich nicht fahren. Inzwischen wurde ich auch von den ersten Fahrern der 100 km überholt, die eine Stunde nach uns starteten. Bei Kilometer 43 traf ich auf einen schiebenden Fahrer. Sein rechtes Pedal war abgebrochen und die Kurbel wurde so beschädigt, dass er komplett abbrechen musste. Bis zum Checkpoint 1 hatte er noch 7 km vor sich und ich schob eine Weile mit ihm. Meinen Beinen tat die Pause gut. Teilweise merkte ich, dass ich kurz vor einem Krampf stand. Ich überlegte hier, ob ich beim Checkpoint umdrehen sollte, um die 100 km zu fahren, aber eigentlich war ich wegen der Landschaft im Hochland und den Flussdurchquerungen hier. Vince, der seit März 2021 für das Rennen trainiert hatte, vor ein paar Wochen Covid hatte und nun aufgeben musste, sagte mir, dass ich weiterfahren muss und dass ich es schaffen würde! Also fuhr ich nach einer kurzen Pause am Checkpoint weiter. Drei Stunden und fünfzig Minuten war ich nun unterwegs. Zwischendurch sah ich viele mit einem Platten Reifen, die den Schlauch wechselten und hoffte, dass mir dieses Übel erspart bleiben würde.

Der nächste Abschnitt war das Gate to Valhalla. Also der schwierigste Abschnitt des Rennens, aber auch landschaftlich wunderschön. Die meisten Steigungen schob ich mein Rad, um Kraft zu sparen. Viele Fahrer sah ich nun auch nicht mehr. Ich war einer der letzten, die bei Checkpoint 1 aufbrachen. Bei Kilometer 60 holte ich Shawn ein. Von nun an fuhren wir zusammen und manchmal schoben wir zusammen. Wir waren die letzten beiden Fahrer (zumindest sahen wir niemanden mehr, wenn wir nach hinten guckten auf Bergen) und immer wieder holte uns die Bergwacht ein, hielt dann aber auf einer Anhöhe, von wo aus sie uns beobachten konnte. So fühlten wir uns zum einen Sicher, aber auch unter Druck, wegen des Zeitlimits. Zwischendurch nahm ich wieder ein Gel. Es war kaum windig und die Sonne schien. So gutes Wetter hatte ich die ganze letzte Woche nicht! Unterwegs fragte ich mich dennoch mehrfach, was ich hier überhaupt gerade für einen Mist machen würde, aber der Blick auf die Landschaft war die Antwort. Es war einfach nur schön.

Checkpoint 3 bei Kilometer 98 erreichte man auch nach 82 km. Es musste dann noch ein 16 km langer Rundkurs gefahren werden, wo nach 8 km ein Zeitmessgerät stand, damit auch niemand schummelt. Wir kamen kurz vor dem Zeitlimit an, hatten aber noch die 16 km vor uns. Auf Nachfrage, ob wir gleich aus dem Rennen wären, wurde gesagt, dass wir weiter fahren könnten, weil es ab hier bergab ginge. Wir waren etwas beruhigt, fuhren einmal im Kreis und füllten dann unsere Trinkbehälter auf und aßen Kartoffelchips. Sonst war keine Verpflegung am Checkpoint mehr übrig.

Es ging zwar bergab, aber die F-Straße hatte ziemlich viele Bodenwellen, so dass es nicht so angenehm zu fahren war. Nach 24 Kilometern kamen wir beim nächsten Checkpoint an und waren seit neun Stunden und dreißig Minuten unterwegs. Essen, trinken, weiter. Wir wurden auf den Cut-Off nach 12 Stunden bei dem nächsten Checkpoint hingewiesen. Auch hier musste auf dem Weg zum nächsten Checkpoint nochmal ein 8 km langer Kreis gefahren werden, über richtig schlechte Schotterpisten und wieder stand auf der Hälfte ein Zeitmessgerät.

Ein Abschnitt auf Asphalt folgte! Welch eine Freude! Ganze 20 km und es ging bergab! Problem: Gegenwind. Von Kilometer 128 bis Kilometer 173 blies mir der Wind ins Gesicht und zwischendurch hagelte es kurz. Shawn war nach Checkpoint 4 leicht zurückgefallen und gab irgendwann auf. Im Kopf rechnete ich die ganze Zeit, wie schnell ich fahren müsste, um es zu schaffen, aber mit dem Wind ging es einfach nicht. Meine Regenjacke zog ich nicht an, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Ich kam 40 Minuten nach dem Zeitlimit am Checkpoint 5 an und inzwischen regnete es in Strömen. Jetzt konnte ich auch die Jacke anziehen. Bis 21 Uhr würde ich es eh nicht mehr ins Ziel schaffen. Das war gewiss. Unterwegs überholte ich eine Gruppe von sechs Fahrern, wovon einige das Angebot warnahmen, das Rennen zu beenden. Der Straßenbelag war wieder Asphalt und es waren noch 33 Kilometer ins Ziel. Ich entschied mich, weiter zu fahren, wie auch drei andere, die ein paar Minuten vor mir los fuhren. Ich sah sie für den Rest der Strecke nicht mehr. Es sollte laut einer der Personen am Checkpoint ab jetzt Asphalt bis ins Ziel sein. Wäre es auch gewesen, wenn man nicht der offiziellen Strecke gefolgt wäre, sondern direkt nach Hvolsvöllur gefahren wäre. Aber ich folgte mit dem Navi der Route und war nach drei Kilometern wieder auf Schotter. Der Wind kam nun von der Seite, anstatt von vorne. Der Weg war wieder voll von größeren Steinen, so dass ich wieder aufpassen musste, und nur langsam voran kam.

Die Route führte wieder zurück zur ersten Verpflegungsstation, wo ich mit Applaus empfangen wurde und von dort aus waren es noch 22 Kilometer bis ins Ziel. Zum Glück regnete es nicht mehr stark, sondern nieselte nur noch. Die zwei Tore, die morgens noch offen waren, musste ich nun selber öffnen und wieder schließen. Ein letztes Mal ging es durch einen Fluss und ich wusste, dass es nicht mehr weit bis zum Asphalt war. Das Team von der Verpflegungsstation hatte inzwischen den Pavillon abgebaut und fuhr langsam hinter mir her. Zwischendurch musste ich auch anhalten, weil sich die Halterung der GoPro gelöst hatte und ich musste sie mit dem Multitool entfernen und verstauen. Der Pickup-Truck hielt ebenfalls in etwas Abstand zu mir. Ich war inzwischen hart genervt (das ist sehr mild ausgedrückt) vom Wetter, dennoch total glücklich, weil die Strecke einfach so schön war.

Zurück auf der Straße hatte ich noch sieben Kilometer vor mir. Die letzten Energiereserven wurden aktiviert und ich schaffte es, im Schnitt über 22 km/h zu fahren. Bis ins Ziel folgte mir der Truck in meinem Tempo und achtete darauf, dass ich sicher ankam. Dort wartete Kristina auf mich, zusammen mit drei Helfern, die mich mit Applaus empfingen und mir meine Medaille überreichten. Auf dem Boden lagen noch vier Medaillen, aber ich weiß nicht, ob ich um 22:01 Uhr der letzte Fahrer war, der ins Ziel kam, oder nicht. Es war mir auch egal. Ich war im Ziel. 14:01:37 Stunden in Bewegung, 15:01:26 Stunden unterwegs. In den offiziellen Listen gelte ich damit als did not finish, da um 21 Uhr das Rennen beendet wurde. Der Sieger benötigte 06:47:49 Stunden für die Strecke. Da war ich bei Kilometer 82.

  

Rundum eine tolle Organisation! Obwohl ich die meiste Zeit alleine gefahren bin, habe ich mich nie alleine gefühlt, da die Bergwacht oft in Sicht war und ich am Ende auch vom Team begleitet wurde. Von einer Panne blieb ich zum Glück verschont, aber ich glaube, dass mein Rad trotzdem nicht ganz heil das Rennen überstanden hat. Es knackt komisch, aber das werde ich später überprüfen. Noch steht es eingepackt im Radkoffer.

Ich empfehle jedem die Teilnahme! Bei mir wird es allerdings bei der einen bleiben. Es ist ein enormer Aufwand mit der langen An- und Abreise, den ich nicht jedes Jahr auf mich nehmen will. Hier ist noch die Aktivität bei Strava.

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